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RIP CentOS

gehrke

Administrator
Teammitglied
Vor knapp 3 Monaten diskutierten wir hier im Kontext eines anderen Threads die Zukunft von CentOS.

https://linux-club.de/forum/viewtopic.php?p=792611#p792611
gehrke schrieb:
marce schrieb:
Für Anfänger und lange Laufzeit: Meine Empfehlung ist CentOS

Ich teile diese Sichtweise und verwende CentOS im privaten Umfeld serverseitig wo möglich.

Allerdings sollte man auch die Probleme nicht verschweigen, welche mit Version 8 eingeführt wurden:
https://kofler.info/centos-8-sechs-wochen-ohne-updates/

Das ist schon ein fieses Problem. Ich hoffe sehr, dass daran gearbeitet wird und Version 8 in Zukunft genau so zuverlässig wird wie 6 und 7. Im Vertrauen darauf habe ich noch vor einem Monat eine weitere Instanz mit Version 8 installiert.

Gestern gab es neue Fakten dazu, und es sieht nicht gut aus. So schlecht, dass sich Michael Kofler wie folgt äussert:
Das Ende von CentOS

Heute haben das CentOS-Projekt und Red Hat also das Ende von CentOS 8 in seiner bisherigen Form verkündet
[...]
CentOS 8 wird Ende 2021 eingestellt.
[...]
Im Klartext heißt das: Es gibt kein CentOS mehr, das für den Produktiveinsatz geeignet ist.
https://kofler.info/nachruf-auf-centos/

Nachdem sich die Entwicklung ja schon geraume Zeit abzeichnete, sollte heute niemand mehr überrascht sein.

Die Frage, wie die Betroffenen dann reagieren können/sollen/müssen, muss wohl jeder selbst beantworten. Ich habe noch keine klare Strategie für meine Server.

Wie Michael Kofler auch richtig schreibt:
Die Auswahl an freien Linux-Distributionen, die über mehrere Jahre im Produktiveinsatz laufen können, ist klein geworden.
:???:
 

marce

Guru
Als die News gestern gelesen habe dachte ich auch "oops..."

Momentan sieht's für mich so aus:
* CentOS als Binärkompatibler RH-Klon ist damit Geschichte. Ok C7 läuft noch bis 07/2024, was die Sache in vielen Dingen aber nicht einfacher macht. Die Codebasis ist schon recht alt und neue Systeme damit aufsetzen ist eigentlich, zumal ja was akutelleres zur Verfügung steht (stehen würde) eher nicht angesagt.
* CentOS-8 Stream - ob das Ding für prod. Einsatz geeignet ist würde ich aktuell nicht unterschreiben. Diese Update-Policy klingt irgendwie strange, krude und völlig an der Realität vorbei.
* Wer ernsthaft Enterprise-IT betreibt und auf SLA angewiesen ist wird wohl eh schon RHEL oder SLES betreiben (bzw. muss).

... was bleibt also für den kleinen Hobbyadmin von der Straße?
* Debian - bewährt, gut - aber eigentlich zu kurze Release-Zyklen. Das LTS was die bieten, ist den Namen nicht wert, daher also "Debian Stable" und halt öfters aktualisieren. Für den klassischen Webhoster aber sicher ok :) Daß das Ding keinerlei Zertifizierung hat bringt viele vermutlich wieder zu Punkt 3 von oben. Im Zeitalter von VM und Wegwerf-Systemen vermutlich kein so großer Beinbruch, wer noch echtes Blech betreibt sieht das ggf. anders...
* Ubuntu - die können ersthaftes LTS genau so schlecht wie Debian. Zudem viele Sonderwege, die zwar inzwischen fast als "Standard" in der Linux-Welt anerkannt sind (halt der Ubuntu-Standard :) ) - aber die spielen von Release zu Release für mein Empfinden zu viel herum.
* Oracle-Linux - gibt's da den kostenlosen Pfad noch? So oder so aus Charma-Gründen für mich aber keine Option :)

* RR oder andere "eher bleeding-Edge"-Distris - für klassisches Webhosting sicher ok, aber je nach "Qual der Wahl" eben arbeitsintensiv.

* Hoffen auf "CentOS 2.0" - evtl. kommt da ja noch was, das "C" ist ja schon früher stark gewesen.

... zumindest wird der nächste Task "EOL CentOS 7 - Migrationsplanung" damit wesentlich früher beginnen müssen und wesentlich komplexer ausfallen als die von C5 -> C6 -> C7...
 

TomcatMJ

Guru
Oops? Da war wohl was an mir vorbeigeflitzt....hm,sieht wohl so aus als müsste ich dann demnächst ein wenig herum orakeln ( https://linux.oracle.com/switch/centos/ ), denn neben opensuse auf Clients nutze ich ja sonst auch durchaus das ein oder andere mal CentOS auf Servern bis jetzt....und da soll der Umstieg ja recht easy sein auf Oracle Unbreakble Linux ;-)
 

TomcatMJ

Guru
Man muss es ein bischen pragmatisch sehen,so wie die Italiener mit der Politik...da man eh niemandem mehr wirklich trauen kann nimmt man denjenigen der das kalkulierbarste Risiko darstellt (was bei den italienern halt solangs ging Berlusconi war, dessen Korruption war ja nun hinlänglich bekannt aber eben kalkulierbar) ;-)...
 
OP
gehrke

gehrke

Administrator
Teammitglied
marce schrieb:
darf man Oracle inzwischen trauen? :)
Unabhängig davon (ich persönlich entscheide das mit einem klaren 'Nein'), hat ja auch dazu MIchael Kofler schon andiskutiert:
Leider ist auch eine andere Zukunft vorstellbar: Oracle könnte sich jetzt auch auf sein kommerzielles Angebot konzentrieren, sinngemäß: »Wie sind kompatibel zum Original, aber kostengünstiger.« Ein freies Oracle Linux ist diesbezüglich geschäftsschädigend, so wie ein freies, gut funktionierendes CentOS offensichtlich auch Red Hat ein zu großer Dorn im Auge war.
Hier ist die Glaskugel für den Blick in die Zukunft angesagt.

Mir persönlich scheint es ausgeschlossen, meine Systeme in 2021 mühsam nach Oracle zu migrieren, um dann ein halbes Jahr später festzustellen, dass die den selben Move machen und ich wieder im Regen stehe.
Oracle ist keine Option für mich.
 

marce

Guru
Naja, sonderlich mühsam wäre die Migration wohl nicht - wenn ich mir das Script so anschaue, daß da Oracle bereitstellt ist's im großen und ganzen nur ein bisserl Repos anpassen, ein paar Pakete verwerfen und einen aktuelleren Kernel reinziehen.
Ich wüsste auch kein Stück Software, welches eine Zert. für CentOS besitzt, aber OL ded. verneint.

So ich damit bestehende CentOS8-System von Dez. 2021 auf (AFAIR) 2029 retten kann und Oracle die Pakete weiterhin frei bereitstellt und nur für den Support Geld verlangt - könnte man damit sogar leben - solche Späße habe ich in letzter Zeit schon bei vielen erlebt und bisher sind die meisten eigentlich mit der Variante gut gefahren, so daß ich da Oracle zutrauen würde, das konsequent durchzuziehen. Ein freies OS brauchen viele und wenn man damit dann den Schuh in die Tür bekommt... Leider hat bei RH da wohl jemand das Konzept nicht verstanden.

Und seien wir mal ehrlich, so groß ist der Karma-Unterschied von RHEL und Oracle auch nicht :)

Wenn allerdings das komplette Oracle-Environment dann auch in's Bezahl-Portfolio rauscht - klar, da sieht's anders aus.

Als temp. Zwischenlösung, bis man weiß, wohin die Reise bei Oracle gehen würde sehe ich das aber fast als besten Weg, wenn man sich nicht den Streß mit einer kompletten Infrastruktur-Migration geben will - je nach Umfang der Farm, Anforderungen und notwendigen Tests, Umstellungen, ... - kann dafür schon mal mehr Zeit in's Land gehen, als man mit CentOS 8 noch zur Verfügung hat...
 

marce

Guru
... ich habe mal gewagt, die Diskussion auch noch woanders zu starten bzw. zu informieren:
* https://serversupportforum.de/threads/rip-centos.60091/
* https://www.linuxforen.de/forums/showthread.php?282436-RIP-CentOS
 
OP
gehrke

gehrke

Administrator
Teammitglied
Und noch ein zweiter freier RHEL-Klon wurde angekündigt:
https://blog.cloudlinux.com/announcing-open-sourced-community-driven-rhel-fork-by-cloudlinux
 
OP
gehrke

gehrke

Administrator
Teammitglied
Michael Kofler hat mal etwas rumgetestet:
*Migration nach CentOS Streams
*Migration nach Oracle Linux

Zumindest ergaben sich bei diesen rudimentären Tasks keine Probleme.

https://kofler.info/centos-8-umstieg-auf-centos-stream-bzw-auf-oracle-linux/

BTW: Bei der Gelegenheit habe ich festgestellt, dass eines meiner eigenen Systeme schon seit Monaten mit CentOS Streams läuft. Mehr oder weniger problemlos. Oops...
 

stka

Guru
CentOS ist für mich noch nie eine Alternative gewesen, wohl mehr ein abschreckendes Beispiel und das zeigt sich jetzt. Erst der Abschied von OpneLDAP zugunsten der zusammengefrickelt Lösung 389DS und der Nichtunterstützung von Samba als AD. Der 389DS basiert auf einer uralten Netscape Lösung die schon von vielen zerfrickelt wurde. Dann muss ich Java dazu installieren, für das die Lizenz auch sehr zweifelhaft ist (Wo wir wieder beim Vertrauen zu Oracle sind).
Jetzt schreibe ich gerade an der neuen Auflage zum Linux-Server Buch und da kann ich mir nur die Haare raufen wenn ich sehe was da alles läuft bei Stream. PAM für Kerberos gibt es nicht mehr muss umständlich von Hand in den sssd gefricket werden, eine endgültige Lösung dazu scheint es noch nicht zu geben. 4.x Kernel ist auch state of the art oder?
Nein CentOS war nie eine Alternative und jetzt erst recht nicht mehr. Das sieht mir ganz so aus als wenn das komplett eingestampft werden soll um RHEL zu verkaufen. Das erinnert mich an die Begründung warum man OpenLDAP rausgenommen hat. O-Ton "Wir haben keine Ahnung von OpenLDAP" und "Ein so wichtiger Dienst für die Infrastruktur kann nur mit einer Subscription (also gegen Geld) gut sein.
CentOS 7 läuft zwar noch bis 2024 aber wenn ich nur an Python denke, rollen sich mir die Fußnägel hoch. Auf die Dauer wir IBM da schon die Finger drauf haben und es gibt das nur noch gegen Kohle. Aus dem Grund lieber jetzt eine alternative suchen. Ich habe meine seit langem ;-)
 

Jägerschlürfer

Moderator
Teammitglied
Ich hatte ehrlich gesagt noch nie etwas mit CentOS zu tun. Stand zwar mal auf meiner Liste, aber das hat sich nun wohl erledigt.
Wir werden wohl bei Debian und Ubuntu bleiben,...
 
A

Anonymous

Gast
Das es bei der Übernahme von RedHat so kommen würde, war ja vorrauszusehen, da muß man kein Prophet sein. Mit CentOS 5 habe ich als normaler Desktop Benutzer einige Erfahrungen sammeln dürfen. Habe es als sehr stabil und grundsolide in Erinnerung. Statt CentOS 6 habe ich auch mal das Derivat von Scientific Linux ausprobiert. Für mich ebenfalls rocksolide. Auch mit CentOS 7 habe ich ein wenig rumgespielt. Geblieben ist es dabei nicht. Attraktiv fand ich den langen Lebenszyklus, der aber auch Nachteile hinsichlich der Aktualität der Software hat. Für kleinere Firmen, die auf CentOS wegen der eingesparten Kosten setzten, ist die aktuelle Entscheidung hingegen ein herber Verlust.

Gruß ralli
 
OP
gehrke

gehrke

Administrator
Teammitglied
ralli schrieb:
Für kleinere Firmen, die auf CentOS wegen der eingesparten Kosten setzten, ist die aktuelle Entscheidung hingegen ein herber Verlust.
Mittwerweile zeichnen sich ja zum Glück eine Reihe von Alternativen ab, die wieder auf mehr Unabhängigkeit von RedHat setzen.

Aber auch für das von Dir genannte Szenario gibt es eine durchaus überlegenswerte Alternative:
Gratis RHEL in kleinem Umfang

Darauf reagiert Red Hat nun also mit Gratislizenzen von RHEL. Künftig soll es möglich sein, den Developer-Account, statt nur auf einem physischen System kostenfrei nutzen zu dürfen, auch auf bis zu 16 Produktivsystemen einsetzen zu können. Damit sollen sich laut RHEL einige kleinere Anwendungsszenarien abdecken lassen. Die Nutzung soll explizit auch in Cloud-Umgebungen möglich sein.
https://www.golem.de/news/centos-red-hat-macht-rhel-teils-kostenlos-2101-153574.html

Muss man nicht annehmen, aber es ist immer gut, Alternativen zu haben. Letzteres würde auch gleich die Problematik mit den doch arg verzögerten Patch-Lieferungen der Vergangenheit beheben.
 

marce

Guru
Wobei das nur für sehr kleine Umgebungen gilt. 16 System hat man recht flott zusammen, da braucht man nicht viele Services dafür abbilden müssen.

"Wir" z.B. sind echt nicht groß - aber rein für online sind wir schon bei knapp ~ 75-100 Systemen derzeit
 
OP
gehrke

gehrke

Administrator
Teammitglied
Ja, das passt nicht für jeden. Aber es ermöglicht mehr Spielraum, als sich das noch vor einem Monat dargestellt hat. Da ist ja erfreulicherweise noch Bewegung drin.
 

marce

Guru
Wobei man sich dann, sollte RH sollte da plötzlich ein Geschäftsmodell drin entdecken gleich nochmals in die Nesseln setzen kann.

... und im Ändern von Lizenzbedingungen ist RH glaube ich ähnlich sprunghaft wie Oracle. So oder so - entweder man ist sich bewusst, daß einem da Überraschungen in's Haus stehen können oder man lässt sich auf die Kosten ein - oder verzichtet erst mal auf eine Linux-Distribution, die zumindest bewiesen hat, daß LTS in ernsthaft auch kostenlos geht

(ich unterstelle den ambitionierten Neu-Distributionen nichts böses, aber ich "spontanes Wechseln" würde ich da erst mal eher nicht veranstalten - nicht, daß denen dann in 6 Monaten oder so die Luft oder Lust ausgeht und man dann gleich wieder das Problem hat...)
 
A

Anonymous

Gast
Danke für die Informationen @gehrke,

sollte doch öfters mal wieder golem besuchen, weil zumeist sehr aktuelle News.

Gruß ralli
 
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